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Viele Familien sind verunsichert, was ihr Kind während der Chemotherapie oder Bestrahlung essen oder trinken darf. Das Wichtigste vorab: Bis auf ein paar Dinge, die zu beachten sind, ist eigentlich alles erlaubt!
Über die Nahrung können allerdings Krankheitserreger, wie z.B. Bakterien, Viren, Schimmelpilze oder Parasiten aufgenommen werden, die Infektionen hervorrufen können. Diese Krankheitserreger können in seltenen Fällen zum Beispiel auf rohen tierischen Produkten, in frischen verarbeiteten Lebensmitteln oder in frischen Nüssen vorkommen. Für Kinder mit Krebs ist das gefährlicher als für Gesunde, da die Erkrankung selbst und die Krebstherapien das Immunsystem schwächen können.
Von einer strengen „keimarmen“ Ernährung wird inzwischen jedoch Abstand genommen: Große wissenschaftliche Studien zeigen, dass eine keimarme Ernährung die Rate an Infektionen nicht vermindert und somit gegenüber Basismaßnahmen bei der Lebensmittel- und Küchenhygiene keine Vorteile bringt. Die Deutsche Krebsgesellschaft, die Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie, die Deutsche Gesellschaft für Ernährungsmedizin, der Verband der Diätassistenten sowie der Berufsverband Oecotrophologie weisen darauf hin, dass mit einer keimarmen Ernährung sogar deutlich mehr Risiken als Vorteile verbunden sind, weil sie eine Mangelernährung nach sich ziehen kann (4,5). Das Robert-Koch-Institut (RKI) rät seit 2021 von dieser Ernährungsform für immunsupprimierte Patienten explizit ab. In den bayerischen kinderonkologischen Kliniken werden diese Empfehlungen bereits umgesetzt. Um das Risiko einer Lebensmittelinfektion möglichst gering zu halten, gelten heutzutage insbesondere für die Phasen mit starker Immunsuppression nur mehr spezielle hygienische Richtlinien (6,7).
Im Folgenden zeigen wir euch, wie ihr durch eine gute Lebensmittel- und Küchenhygiene Infektionen bei eurem Kind vorbeugen können.
Dein Kind darf im Rahmen der oben genannten Empfehlungen essen, was es möchte. Biete ihm immer wieder eine bunte Auswahl an. Während der Behandlung kommt es nicht vorrangig darauf an, was Dein Kind isst, sondern dass es die Freude am Essen behält und selbstbestimmt essen darf. Dadurch kann eine gute Versorgung mit Energie und Nährstoffen am besten aufrechterhalten bleiben. Und, nicht weniger wichtig: Essen nach Lust und Laune gibt Kraft und ist notwendig für eine gute körperliche und seelische Verfassung.
Falls bei Ihrem Kind Beschwerden wie z.B. Durchfall, Übelkeit, Entzündungen im Mundbereich auftreten oder ein ungewollter Gewichtsverlust, finden Sie auf unserer Website ausführliche Ernährungsinformationen.
Verständlicherweise möchte euer medizinisches Behandlungsteam alle möglichen Infektionsquellen eliminieren, um euer Kind zu schützen. Etablierte Standards, wie die der „keimarmen Ernährung“, zu verändern, kann eine große Herausforderung darstellen und mit Unsicherheit verbunden sein. Aus diesem Grund werden oftmals lieber zu viele als zu wenige Einschränkungen vorgegeben.
Dass Kliniken uneinheitlich beraten, liegt daran, dass es bisher keine einheitlichen und detaillierten Leitlinien gibt. Dadurch können die Empfehlungen von Krankenhaus zu Krankenhaus schwanken (8). Bayerns kinderonkologische Kliniken gehen voran: Sie haben gemeinsam beschlossen, die neuesten Empfehlungen umzusetzen und die strengen Regeln der keimarmen Ernährung ab sofort aufzuheben. Haltet nochmal Rücksprache mit dem/der behandelnden Arzt/ Ärztin eures Kindes, falls ihr bezüglich der Empfehlungen, die ihr erhalten haben, verunsichert seid. Sprecht auch unbedingt an, falls euer Kind aufgrund der Einschränkungen Gewicht verliert oder dadurch weniger isst. Erkundigt euch gezielt nach individuellen Gründen für eine „keimarme“ Ernährung und wann diese wieder gelockert werden kann.
In den bayerischen kinderonkologischen Kliniken sind lediglich folgende Lebensmittel weiterhin nicht empfohlen: Rohmilchprodukte, probiotische Milchprodukte (wie Actimel, Activia und Yakult) sowie Lebensmittel, die Wechselwirkungen mit Medikamenten verursachen können.
Sollte euer Kind in einer Klinik behandelt werden, die sich noch nicht komplett von den Regeln der keimarmen Ernährung gelöst hat, so bietet euch die folgende Liste eine Übersicht mit geeigneten Getränken und Lebensmitteln während der akuten Chemotherapie. Sie ist das Ergebnis der Arbeitsgemeinschaft Ernährung des KIONET-Netzwerkes (Kinderonkologisches Netzwerk Bayern) vom März 2023..
Geeignet
Babywasser
Wasser mit Kohlensäure
abgekochtes Wasser
aufgebrühter Kaffee
Tee (zubereiteten Tee ohne Beutel noch eine Minute kochen lassen)
industriell abgefüllte Obst- und Fruchtsäfte
Eistee/Softdrinks aus Flaschen/Dosen
Eiswürfel aus abgekochten Leitungswasser
Ungeeignet
stilles Wasser
Leitungswasser
offene Getränke
gekaufte Eiswürfel
Erklärung
In stillem Wasser – auch in gekauftem, nicht nur in Leitungswasser! – sammeln sich nach kurzer Zeit Bakterien an. In Wasser mit Kohlensäure ist dies nicht der Fall.
Geeignet
gut gewaschenes und geputztes Gemüse als Rohkost oder Salat
Gemüse in gekochter, gedünsteter, gedämpfter, gegrillter oder gebackener Form
Gemüse in Dosen/Gläsern
fermentierte Lebensmittel (Sauerkraut, Kimchi etc.)
Ungeeignet
Blattsalate in Beuteln
vorgefertigte Rohkost in Päckchen
Salate vom Salatbuffet
rohe Sprossen
Rhabarber
Erklärung
Beutelsalat wird gewaschen, geschnitten und mit langer Lagerzeit angeliefert, sodass eine Kontamination mit Keimen und Bakterien nicht ausgeschlossen werden kann.
Geeignet
industriell abgepackte, geschälte Nüsse
Ernussflips
Nussmus
Nüsse in Gebäck, Kuchen o.ä.
Erklärung
rohe Nüsse direkt aus der Schale
Erklärung
Da Schimmel und pathogene Keime direkt unter der Schale sitzen und nur durch industrielle Selektion und Bearbeitung vernichtet werden, sind Nüsse mit Schale nicht erlaubt.
Geeignet
komplett durchgegarter Fisch
gekochte, gegrillte und gebackene Fischgerichte
Fisch in Dosen
Ungeeignet
rohe Fischspeisen wie Sushi, Sashimi, Matjes…
rohgeräucherter Fisch wie Räucherlachs
geräucherter Fisch wie Forelle
Erklärung
Roher Fisch kann mit Bakterien oder lebenden Parasiten befallen sein, die man mit bloßem Auge nicht sehen kann. Beim Kalträuchern werden lediglich 25°C erreicht, beim Heißräuchern nur 65°C im Fischinneren. Diese Temperaturen reichen nicht aus, um Bakterien und Parasiten komplett abzutöten.
Geeignet
alle Obstsorten, gut gewaschen oder geschält
gut gewaschene Beeren, nicht direkt vom Strauch
Obst aus Dosen/Gläsern
Smoothies, industriell oder selbst hergestellt
abgepacktes Trockenobst, gefriergetrocknetes Obst (max. 1 Woche)
Quetschies
Ungeeignet
Smoothies an Ständen
vorproportioniertes Obst
tiefgekühlte, ungekochte Beeren
Grapefruit, Grapefruitsaft, Pomelo
Erklärung
Durch das sorgfältige Waschen wird das Obst von Schmutz befreit und die Zahl der pathogenen Keime reduziert. Melonen und anderes hartschaliges Obst kann zur Keimreduktion zusätzlich mit einer sauberen Bürste kräftig abgebürstet werden. Um eine Vermehrung vorhandener Krankheitserreger zu verringern, sollte Obst (v.a. Melonenstücke) nach dem Kleinschneiden umgehend verzehrt oder im Kühlschrank aufbewahrt werden. Außerdem rohe Sprossen und tiefgekühlte Beeren vor dem Verzehr intensiv und vollständig erhitzen, da – nach derzeitigem Kenntnisstand – davon auszugehen ist, dass sie ein hohes Infektionsrisiko bergen, wenn sie mit Noroviren kontaminiert sind. Bei Grapefruit besteht ein Wechselwirkungsrisiko mit verschiedenen Medikamenten, die während der Chemotherapie zum Einsatz kommen.
Geeignet
getrocknete und tiefgekühlte Kräuter, erhitzt
gut gewaschene frische Kräuter
Salz und Pfeffer
Soßen in abgepackneten Einzelportionen bzw. im privaten Haushalt in kleinen Packungsgrößen (max. 250ml)(Ketchup, Mayonnaise)
Soßen wie z.B. Worcester-Soße, gut erhitzt
Essig und reines Öl
Sojasoße
Ungeeignet
frische, bereits geschnittene Kräuter
Trockengewürze, nicht erhitzt
Öl mit Gewürzbeigaben
Johanniskraut, Knoblauch, Kurkuma
Erklärung
Gefahr der Keimkontamination ist bei großen Packungen höher als bei kleinen. Bei Johanniskraut, Knoblauch und Kurkuma besteht die Gefahr der Interaktion mit Arzneimitteln.
Geeignet
Fleisch, komplett durchgegart
durchgegarter, kalter Braten
industriell verarbeitete und erhitzte Wurstsorten (Lyoner, Schinkenwurst, Wienerle, Kochschinken, Kochsalami)
frischer Aufschnitt, erste Scheibe verworfen (kleine Portionen kaufen ca. 50g)
Mettwurst in der Dose
industriell verarbeiteter Fleischsalat
gut durchgegarter Burger oder Döner, ohne rohe Salat-/Gemüsebeilage
Ungeeignet
rohes Fleisch, Tartar, Carpaccio
kalt geräucherter Schinken
Medium/rare Steak
Rohschinken/Rohsalami
Mettwurst
Fleischsalat von der Wursttheke
Erklärung
Nicht durchgegarte tierische Produkte sind ein Nährboden für Keime wie Listeten.
Geeignet
Eier, ausreichend gekocht (mind. 8 Minuten)
Pfannkuchen, Omelette, Rührei (gut durchgebraten)
Spiegeleier, von beiden Seiten gebraten
pasteurisierte Ei-Produkte
Portionspackungen Mayonnaise
Tiramisu ohne Ei
Ungeeignet
rohe Eier
wachsweiches Frühstücksei
Tiramisu
roher Plätzchen- oder Kuchenteig
selbst hergestellte Mayonnaise und Remouladen
Erklärung
Bei rohen Eiprodukten besteht Salmonellengefahr.
Geeignet
alle Sorten gekochter Nudeln, Reis, Couscous, Amaranth
Grieß, Sago, Graupen
Vollkorn- und Weißmelhlprodukte, Zwieback und Cracker
Kuchen und Kekse
Salz- und Pellkartoffeln, Kartoffelbrei, -klöße frisch und Convenience
Pommes Frites, Kroketten und Kartofelpuffer
Kartoffelchips mit Salz, Ofenchips mit Salz
Salzstangen
Haferflocken
Müsli aus Großpackungen (max. 1 Woche)
allogene Stammzelltransplantation: Cornflakes
Ungeeignet
Overnight Oats, Bircher Müsli
Chips mit Gewürzen
allogene Stammzelltransplantation: Müsli
Erklärung
Overnight Oats und Bircher Müsli werden ungekocht zubereitet und erst zu einem späteren Zeitpunkt verzehrt, hier können Bakterien und Schimmelpilze vorkommen. Gewürze bei Chips werden erst nach dem Backen aufgestreut.
Geeignet
pasteurisierte oder ultrahocherhitzte Produkte wie Milch, Buttermilch, Joghurt, Quark, Butter, Schlagsahne, saure Sahne, Sojamilch und Milchmixgetränke
industriell hergestellter oder frisch gekochter Pudding
Speiseeis aus frisch geöffneten Packungen
frisch geschnittene oder geriebene Hart- oder Schnittkäsesorten, z.B. Butterkäse, Edamer, Emmentaler, Gouda, Parmesan, unabhängig von der Milch
Schmelzkäse, Hüttenkäse, Frischkäse und Kochkäse
abgepackter Feta, Mozzarella
gekochter/überbackener Schimmelkäse (Camembert) mit Kerntemperatur von 70°C für mind. 2 Minuten
wärmebahndelter Obazter
Ungeeignet
Produkte aus nichtpasteurisierter Milch (Rohmilchprodukte)
Schimmelkäse wie Brie, Camembert, Gorgonzola, Roquefort u.s.w.
Rotschmierkäse wie Limburger, Romadour, Korbkäse, Mainzer, Münster, Tilsiter u.s.w.
Sauermilchkäse wie Handkäse, Harzer u.s.w.
Käse aus offenen Gefäßen wie Feta, Schafskäse, Kräuterquark oder Mozzarella (auch als Salatgut)
vorgefertigter, nicht erhitzter Reibekäse
Milchshakes aus Fastfoodrestaurants
probiotische Lebensmittel wie probiotischer Joghurt (Actimel, Yakut…), Kefir
offenes Eis aus der Eisdiele, Softeis
Erklärung
Milchpackungen mit Datum beschriften! (24h-Regel)
In Einzelfällen kann auch der Verzehr von Lebensmitteln mit probiotischen Kulturen eine Gefahr darstellen. Die Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention hat im Jahr 2010 allen Krankenhäusern empfohlen, auf die Abgabe von probiotischen Lebensmitteln an immunsupprimierte Patienten zu verzichten, bis ausreichende Studien vorliegen. Zur Reifung von Weichkäse und Sauermilchkäse werden verschiedene Bakterien und Hefen eingesetzt. Die jeweiligen Käse sind durch gelbliche oder orange-rote Färbung der Oberfläche gekennzeichnet.
Geeignet
industrieller Honig ab dem 1. Lebensjahr
Nussnougataufstrich, Schokolade, Kuvertüre
(selbstgemachte) Marmelade, Verhältnis Zucker zu Frucht 1:1
Fruchtaufstriche (max. 3 Tage je nach Produktempfehlung)
Gummibärchen, Geleefrüchte, Fruchtgummi
abgepacktes Eis, möglichst kurze Unterbrechung der Kühlkette
Zucker, Traubenzucker, Süßstoffe, Zuckeraustauschstoffe
Bonbons, Kaugummis
Ungeeignet
Imkerhonig
Eis, halbgefrorenes Eis, Softeis aus der Eisdiele
Lakritz
Erklärung
Der Hygienestandard bei Eis und Softeis aus der Eisdiele kann nicht gewährleistet werden, z.B. Eislöffel in mehrfach benutztem Wasser, Kühlkette. Imkerhonig wird hygienisch nicht kontrolliert. Bei Lakritz kann es Wechselwirkungen mit Medikamenten geben.
Geeignet
Dönerfleisch, Hamburger und Brot, ohne Zwiebeln und Gemüse
Portionspackung Ketchup
Pommes Frites
Chicken Nuggets
Pizza
Speisen aus Restaurants oder Schnellrestaurants, sofern die Hygieneregeln eingehalten werden
Ungeeignet
Burger oder Döner mit rohem Gemüse/Salat
Softeis
Pizza Rucola oder mit rohem Schinken
Sushi oder rohes Fleisch
Erklärung
Alle Gerichte, die selbst zubereitet oder außer Haus geholt werden, müssen den vorher genannten Hygienemaßnahmen.
Bei onkologischen bzw. stammzelltransplantierten PatientInnen wird sowohl durch die Grunderkrankung selbst als auch durch die notwendige zytotoxische bzw. immunsuppressive Therapie eine Störung aller Abwehrsysteme hervorgerufen (1).
Im Vordergrund der Infektionsgefährdung des/der onkologischen PatientIn unter einer Chemotherapie steht der Mangel an neutrophilen Granulozyten mit daraus resultierendem Risiko für bakterielle Infektionen. Bei Granulozyten handelt es sich um weiße Blutzellen (Leukozyten), die der Infektionsabwehr (Bakterien, Pilze, Fremdkörper)dienen. Ab einer Zahl von unter 500 neutrophilen Granulozyten/µL steigt das Risiko einer bakteriellen Infektion. Auch die Therapie mit Kortikosteroiden (Cortison) trägt zur Immunsuppression bei.
Weitere, die Infektionsgefährdung bestimmende Einflussfaktoren sind bei vielen PatientInnen der reduzierte Allgemein- und Ernährungszustand (2,3).
Durch all diese Faktoren ist das Risiko für eine Lebensmittelinfektion erhöht.
Die jetzigen Empfehlungen richten sich nach dem neuesten Stand der Wissenschaft. Aktuell hat das Robert-Koch-Institut die Empfehlungen für die Ernährung für immunsupprimierte PatientInnen 2021 neu herausgegeben (6,7)